Einen eigenen Sauerteig zu züchten ist eine spannende Sache! Klappt es oder klappt es nicht? Wie schnell wird er fertig sein um zu backen? Weizen oder Roggen oder gar Dinkel? Viele Fragen für etwas, was eigentlich gar nicht schwer ist. Wie bei allem was mit Brot zu tun hat, ist vor allem eines wichtig: die Zeit! Ohne Zeit und Geduld wird es nix mit dem Sauerteig. Hat man die Ruhe weg und beachtet das eine oder andere, klappt es ganz bestimmt. So kannst du ganz einfach deinen eigenen Sauerteig herstellen.
Achtung: Diese Anleitung ist für die Herstellung eines Roggensauerteigs. Siehe unten der Hinweis zum Umzüchten oder Ansetzen eines Weizensauerteigs. Egal ob Roggen oder Weizensauerteig…die Vorgehensweise ist die Gleiche. Nur die Menge Wasser ist bei Weizen ggfs. etwas reduziert.
Glasbehälter (Weckglas): Für das Ansetzen eines Sauerteigs verwende ich in der Regel 3-4 der traditionellen Weckgläser, die sich aufgrund ihrer Form und der überaus praktischen Verschlussmöglichkeit am besten für unser Vorhaben eignen. Zwei kleinere Gläser für den Anfang und 1-2 größere für später.
Wichtig: Die Einmachgläser sollten auf jeden Fall gut abgekocht werden, bevor man sie verwendet. Einfach Wasser im Wasserkocher auf rund 100° erhitzen, dann das Glas damit auffüllen und nach etwa einer Minute wieder abgießen. So werden alle eventuell vorhandenen Keime zerstört. Das solltest du übrigens jedes Mal machen, wenn du das Glas wechselst.
Roggenvollkornmehl: Bei Raumtemperatur gelagert; Bio oder wenn möglich sogar selbst gemahlen (ich habe es selbst gemahlen und das Mehl war einige Wochen alt).
Wasser: Lauwarm bei ca. 38°
Waage: Grammgenaue Waage. Ohne die geht beim Brotbacken nämlich gar nichts (wenn möglich sogar auf 0.1 g genau).
Warmer Ort: Der Sauerteig wird an einem warmen Ort gezüchtet. Idealerweise zwischen 24 und 28 Grad. Bei mir stand er unter einem WLAN-Router. Alternativ dazu in einer alten Mikrowelle mit angelehnter Tür oder im Ofen bei eingeschaltetem Licht. Das geht aber nur, wenn die Glühbirne noch eine alte ist und kein LED. Du wirst aber sicherlich einen passenden Ort finden. Im Sommer geht das Ganze übrigens auch relativ einfach bei normaler Raumtemperatur.
Es gibt ja unter euch Hobby-BäckerInnen immer 2 Lager: Da wären einmal die ausstattungstechnisch reduzierten und die, die gerne auch mal ein paar Euro in die Hand nehmen wollen, um optimal ausgestattet zu sein. Beide Wege sind natürlich in Ordnung und über beide Wege schaffst du es, tolle Brote zu backen.
So ist es auch so, dass du nicht unbedingt ein Starter-Set (so wie das Lékué Sauerteig-Set*) für das Anlegen deines Sauerteigs und die anschließende Fortführung benötigst. Allerdings hilft dir ein Starter-Set dabei, hat Vorteile bezüglich der Abluft im Sauerteig-Glas und bringt dir auch noch einen praktischen Spatel mit. Gerade das Lüftungs-Element am Deckel und der Spatel überzeugen mich und ich möchte beides auch nicht mehr missen. Ob du das auch brauchst? Das musst du für dich beantworten:
Vorab noch die Info, dass dieser Terminplan nicht zu 100% eingehalten werden muss oder kann. Wichtig ist, dass du deinen Sauerteig grundsätzlich IMMER fütterst, wenn er sich verdoppelt hat im Volumen. Das passiert ggfs. ziemlich schnell (bei mir schon am 2. Tag). Wenn du den Sauerteig zu lange ausgehungert stehen lässt, kann es sein, dass er dir kippt oder die Hefen zu schwach werden.
50 g Roggenvollkornmehl
50 g Wasser (38 °C)
Mehl im Wasser in einem Glasbehälter (Weckglas ausreichender Größe) gut verrühren, so dass keine Mehlnester mehr zu sehen sind.
Deckel wird nur lose aufgelegt. Das Mehlgemisch reift nun an einem warmen Ort (ca. 24-28 Grad) für 24 Stunden. Es wird sich vermutlich noch nicht allzu viel tun im Glas. Eine großartige Blasenbildung ist noch nicht zu erwarten.
100 g Mehlgemisch aus Tag 1
50 g Roggenvollkornmehl
50 g Wasser (38 °C)
Das Mehlgemisch von Tag 1 bleibt im gleichen Glas, wenn dieses ausreichend groß war um nochmal 50g Mehl und 50g Wasser zu fassen. Gemisch mit dem Wasser vermengen und dann das Mehl unterrühren, so dass wieder keine Mehlnester mehr zu sehen sind. Deckel wird nur lose aufgelegt. Das Mehlgemisch reift nun an einem warmen Ort (ca. 24-28 Grad) für 12-24 Stunden.
Sollte sich der Ansatz bereits verdoppeln sollte er direkt weitergefüttert werden (also zu Tag 3 übergehen) bevor er schon von selbst in sich zusammenfällt. Es ist aber auch gut möglich, dass sich auch am 2. Tag noch nicht zu viel tut und lediglich eine kleine Volumenvergrößerung und ein paar Luftbläschen sichtbar sind.
Tipp: Um zu erkennen, ob eine Volumenzunahme stattgefunden hat, lohnt es sich einen Gummi um das Weckglas zu spannen an der Stelle, an der das Mehlgemisch die höchste Stelle markiert.
200 g Mehlgemisch aus Tag 2
50 g Roggenvollkornmehl
50 g Wasser (38 °C)
Das Mehlgemisch vom 2. Tag gebe ich nun in ein neues, größeres Glas (abgekocht) und rühre dort wieder das Wasser und dann das Mehl ein, so dass keine Mehlnester mehr zu sehen sind. Dann geht das Prozedere weiter wie gehabt: Abdecken mit dem Deckel, markieren der höchsten Stelle des Mehlgemisches und 12-24 Stunden reifen lassen bei 24 bis 28°. Wenn sich der Sauerteigansatz bereits früher verdoppelt, dann zu Tag 4 übergehen. Ansonsten bis zum nächsten Tag warten.
Achtung: Findet noch fast gar keine Volumenzunahme statt, würde ich den Tag 3 solange wiederholen, bis hier eine deutliche Volumenzunahme erkennbar ist. Wichtig ist hierbei, dass immer wieder ein frisches Glas verwendet wird. Am besten 2 Gläser im Wechsel.
Der Sauerteig sollte auch schon angenehmer säuerlich riechen, bevor zum nächsten Tag übergegangen wird. Wenn er noch sehr alkoholisch und streng sauer riecht, ist er entweder schon zu weit oder noch nicht weit genug.
50 g vom Sauerteigansatz aus Tag 3 (Rest wird vorerst im Kühlschrank aufbewahrt; kann auf dem Kompost oder der braunen Tonne weggeworfen werden, wenn Tag 4 erfolgreich ist; ansonsten verwenden für neuen Versuch von Tag 4)
50 g Roggenvollkornmehl
50 g Wasser (38 °C)
50g des Sauerteigansatzes aus Tag 3 im Wasser auflösen in einem neuen, abgekochten Glas (jetzt wieder das kleinere nehmen). Dann das Mehl wieder einrühren. Abdecken, markieren und wieder reifen lassen, bis der Sauerteig fruchtig, säuerlich riecht und sich verdoppelt hat. Das dauert bei 28-30° ca. 5-12 Stunden. Wenn er bereits Luft schnappt und bei Erschütterung in sich zusammenfällt, ist es höchste Zeit wieder weiter zu führen in Tag 5.
Dein Sauerteig ist nun fertig und kann theoretisch verwendet werden. Du darfst ihm jetzt auch einen Namen geben. 😉 Allerdings ist er noch gar nicht fit und braucht noch einige Zuwendung um kräftig genug zu sein um ein Brot allein zu treiben. Das heißt es ist besonders wichtig, dass du in diesem Stadium und dann auch in Zukunft deinen Sauerteig regelmäßig fütterst.
Sollte dein Sauerteig am 5. Tag morgens noch nicht fruchtig säuerlich riechen und noch nicht die Kraft für die Verdopplung haben, wiederholst du einfach so lange den letzten Tag, bis das der Fall ist.
Da dein Sauerteig noch nicht fit ist, gibt es ein paar Dinge zu beachten:
Wenn dein Sauerteig fertig ist, würde ich kein Vollkornmehl mehr verwenden. Bei Roggen nehme ich folgende Mehle:
Hier findest du einen Artikel von mir mit vielen Tipps rund ums Füttern deines Sauerteigs. Ansonsten hier nur eine kurze Info dazu:
Zu Beginn würde ich dir empfehlen täglich zu füttern (wie genau, erkläre ich dir unten). Das würde ich 2 Wochen lang machen. Danach dann alle 2 Tage für weitere 2 Wochen und dann mind. 2x wöchentlich für den Rest seines Lebens. So wird er dann auch triebstark bleiben. Es wird Rezepte geben, die es erfordern, dass der Sauerteig häufiger am Stück gefüttert wird um so stark zu sein richtig tolle Krumen zu bilden. Für den Anfang sollte aber das hier genannte ausreichen.
Dein junger Sauerteig ist noch nicht wirklich in der Lage nach ein paar Tagen ein Brot richtig gut zu fermentieren und zu treiben. Das klappt schon irgendwie, aber ohne Hefe-Unterstützung wird das Ergebnis nicht so ideal sein. Daher empfehle ich grundsätzlich in den ersten Wochen noch 0,1%-0,2% Hefe auf die Mehlmenge zu geben. D.h. auf 500g Mehl würdest du z.B. 1g Hefe geben. Da Sauerteigbrote Zeit benötigen, sollte auch mit 1g Hefe und der richtigen Menge Sauerteig im Rezept ein anständiges Sauerteigbrot entstehen.
Erst wenn dein Sauerteig richtig fit ist, würde ich die Hefe testweise weglassen. Einfach mal ausprobieren. Mehr als schief gehen kann es nicht.
Wenn du gar keine Lust hast deinen Sauerteig selber zu züchten, kannst du dir das Anstellgut dazu auch kaufen oder über eine Börse besorgen. Hier habe ich dir ein paar Tipps zusammengestellt, wo du Sauerteig kaufen oder besorgen kannst.
Es gibt verschiedene Ansätze: Der eine ist, dass immer so viel Sauerteig angesetzt wird fürs nächste Brot, dass immer etwas übrig bleibt. Das wäre dann das sogenannte Anstellgut (hier liest du alles über das Anstellgut), welches in den Kühlschrank wandert für den nächsten Sauerteig. Das spart auf Dauer Ressourcen und man wirft nicht so viel weg. Dafür ist es recht unflexibel was das Ansetzen des Sauerteigs angeht für verschiedene Rezepte (z.B. mit anderen Mehlen) und macht aus meiner Sicht nur dann Sinn, wenn man immer den gleichen Sauerteig nutzen möchte.
Bei jedem Füttern (ich füttere alle 2 Tage) nehme ich das kleine Glas Anstellgut aus dem Kühlschrank und füttere wie folgt in einem neuen kleinen Weckglas:
5g Anstellgut Roggensauerteig aus dem Kühlschrank
25g Roggenmehl (kein Vollkornmehl mehr; Typ 997 oder 1150)
25g Wasser kalt
Das Gemisch reift nun im abgedeckten Weckglas für so lange (bei mir dauert es ca. 5-6 Stunden) bis das Volumen deutlich vergrößert wurde und der Geruch fruchtig säuerlich ist (der Geruch ist für mich maßgeblich neben der Vergrößerung). Ist der Sauerteig noch nicht vergrößert oder riecht muffig oder stark alkoholhaltig, beißend, dann lieber noch reifen lassen.
Der Sauerteig sollte am Peak (an der Spitze) der Vergrößerung in den Kühlschrank oder weiterverarbeitet werden. Wenn er sich also schon leicht wölbt, ist die Reife gut vorangegangen. Fällt er bei Erschütterung in sich zusammen, war er zu weit. Dann würde ich direkt nochmal füttern um ihn nicht überreif in den Kühlschrank zu stellen.
Wenn der Sauerteig also reif ist, stelle ich ihn in den 5 Grad kalten Kühlschrank bis zum nächsten Füttern. Sauerteigreste verarbeite ich entweder in Auffrischbroten (siehe Auffrischbrot-Rezepte hier im Blog) oder zu Pfannkuchen oder schmeiße sie einfach auf den Kompost. Die Würmer freuen sich darüber. Ab und zu hat man hier Schwund. Das ist normal, niemand schafft es immer alles zu verwerten würde ich behaupten.
Du kannst einen Weizensauerteig genau so ansetzen wie hier oben mit dem Roggensauerteig zu lesen. Allerdings berichtet der eine oder die andere davon, dass das mit dem Weizensauerteig nicht so gut klappt. Das kann ich nicht bestätigen. Du kannst zur Not auch super den leichter zu erstellenden Roggensauerteig umzüchten zum Weizensauerteig. Nimm dazu einfach im Verhältnis 1:5:4 (Anstellgut:Mehl:Wasser) und füttere wie gewohnt für eine Weile. Nach und nach wird sich der Roggensauerteig in den Weizensauerteig umzüchten. Konkret:
5g Roggensauerteig Anstellgut
25g Weizenmehl (2-3x Weizenvollkornmehl; danach übergehen zu hellerem Weizenmehl)
20g Wasser
Ich nehme beim Züchten eines Weizensauerteigs grundsätzlich 20% weniger Wasser, damit der Sauerteig nicht zu flüssig wird. So sieht man auch besser die Volumenvergrößerung.
Ich verwende nach folgender Formel:
90% helles Weizenmehl + 10% Weizenvollkornmehl
Bei mir ist das konkret ein französisches T65 + Rouge de Roc selbst gemahlen. Tolle Mehle, die ein hervorragendes Aroma bringen.
Nur Vollkornmehl sollte man nicht verwenden, außer das Rezept schreit danach. Wenn du nur Vollkornmehl nimmst, wird der Sauerteig sehr schnell reif und überreif. Das Aroma nicht so ausgewogen.
Ich verwende 20% weniger Wasser für den Weizensauerteig als für den Roggensauerteig. Das heißt die Hydration liegt bei 80%, was einer TA180 entspricht. Beim Roggensauerteig ist die Hydration bei 100%, was einer TA200 entspricht. So lässt sich auch eine Verdopplung des Sauerteigs besser beobachten. Je flüssiger, desto weniger Volumen nimmt der Sauerteig zu.
Bei meinem Weizensauerteig verwende ich 90% helles Mehl (wie Typ 550 oder T65 oder W700) + 10% Vollkornmehl (ich: Rouge de Roc selbst gemahlen). Bei meinem Roggensauerteig verwende ich 100% Champagnerroggen Typ 1100 (oder Roggenmehl Typ 1150).
Das Vollkornmehl gibt den Bakterien und Hefen im Sauerteig sehr viel Futter. Dadurch wird das Mehl sehr schnell verfeuert was zwar einerseits den Sauerteig schnell reifen lässt, auf der anderen Seite aber negativ bezüglich des Sauerteig-Aromas ist. Daher verwendet man für das Züchten des Sauerteigs Vollkornmehl, aber dann nicht mehr für die regelmäßige Fütterung. Für bestimmte Rezepte kann es aber natürlich sein, dass ein Vollkornmehl im Sauerteig angedacht wurde. Das hängt aber stark vom Rezept ab.
Manchmal muss man nur Geduld haben. Wenn man kein Vollkornmehl verwendet hat, sollte man das zu Beginn auf jeden Fall machen. Etwas geriebener Bio-Apfel kann helfen. Auch das verwenden von Hefe-Wasser als Schüttwasser kann dem Sauerteig zu Beginn auf die Sprünge helfen. Hilft gar nix, heißt es neu anzufangen oder aber in einer Sauerteigbörse einfach einen Sauerteig besorgen und weiterführen.
Bei der Beobachtung der Volumenzunahme kommt es zum Beispiel darauf an, wie hoch der Wasseranteil war. Liegt dieser bei 100%, also gleiche Menge Wasser wie Mehl (TA200), ist der Teig recht flüssig und die Luftbläschen führen nicht zu der Volumenzunahme, die man gerne beobachten würde. Was aber nicht heißt, dass der Sauerteig nicht fit wäre. Ein trockener Sauerteig (TA 150-180) wird immer mehr Volumen zeigen, muss aber nicht stärker sein. Ein LiCoLi ist zB ein flüssig geführter Sauerteig, der normalerweise keine Verdopplung zeigt. Während der Lievito Madre mit einer TA von 150 (50% Wasser auf 100% Mehl) sich deutlich vergrößert.
Ja, leider musst du ihn entsorgen und von neuem anfangen. Ein schimmeliger Sauerteig(-Ansatz) ist nicht mehr zu retten.
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