Hast Du Dich schon einmal gefragt, warum Dein Brotteig elastisch und dehnbar wird? Es liegt an einem Protein-Netzwerk, das sich beim Brotbacken entwickelt – dem Gluten (Klebereiweiß). In diesem Artikel erfährst Du alles Wissenswerte über die Hintergründe der Teigbildung, das Glutengerüst und die Proteine im Mehl.
Die Grundlagen: Proteine im Mehl und ihre Eigenschaften
Mehl enthält von Natur aus verschiedene Proteine, die ursprünglich als Nährstoffquelle für den Keimling des Getreidekorns gedient haben. Beim Backen von Brot spielen besonders die Gluten-Proteine (Klebereiweiße) Glutenin und Gliadin eine wichtige Rolle, weil sie essentiell sind für den Teig, aus dem am Ende dein Brot gebacken werden soll.
Das Glutengerüst
Damit du verstehst, wieso Glutenin und Gliadin so wichtig sind, hier eine kurze Erklärung, was daraus entsteht und was das ist: Das Glutengerüst.
Das Glutengerüst ist vereinfacht gesagt ein Netzwerk aus Proteinen, das sich bildet, wenn Mehl mit Wasser vermischt und geknetet wird. Dieses Netzwerk macht den Teig elastisch und sorgt dafür, dass Brot seine Form behält und eine luftige Textur bekommt.
Glutenin erklärt
Glutenin sorgt für die Elastizität deines Teigs – es ist das Rückgrat des Glutengerüsts.
Glutenin spielt tatsächlich eine wichtige Rolle für die Elastizität des Teigs und ist ein Hauptbestandteil des Glutengerüsts. Glutenin ist ein großes, langkettiges Protein im Mehl. Wenn Wasser hinzugefügt wird, verhält es sich wie ein Gummiband:
- Es kann sich dehnen und wieder zusammenziehen.
- Es bildet starke Verbindungen mit anderen Glutenin-Molekülen.
- Diese Verbindungen formen ein stabiles Netzwerk im Teig.
Dieses Netzwerk gibt dem Teig seine „Sprungkraft“. Wenn du den Teig dehnst, zieht er sich dank Glutenin wieder zusammen. Das ist wichtig, damit der Teig:
- Seine Form behält
- Gase einfangen und halten kann (wichtig fürs Aufgehen)
- Beim Backen nicht zusammenfällt
Deshalb nennt man Glutenin oft das „Rückgrat“ des Glutengerüsts. Es gibt dem Teig Struktur und Stabilität, ähnlich wie unser Skelett unserem Körper.
Gliadin erklärt
Während Glutenin für die Stabilität des Teigs verantwortlich ist, verleiht Gliadin dem Teig seine Dehnbarkeit, sodass er sich während der Gärung und beim Backen gut ausdehnen kann. Es wirkt wie ein „Weichmacher“ im Glutengerüst und sorgt dafür, dass der Teig dehnbar und geschmeidig bleibt, ohne sofort zu reißen. Wenn Gliadin mit Wasser in Kontakt kommt, bildet es eine Art viskose Masse, die dem Teig hilft, sich leicht formen und verarbeiten zu lassen.
Zusammenspiel von Glutenin und Gliadin
Zusammen mit Glutenin, das für die Elastizität sorgt, bildet Gliadin das Glutennetzwerk. Während Glutenin den Teig stabil macht, sorgt Gliadin für Flexibilität – beide zusammen schaffen die perfekte Balance zwischen Stabilität und Dehnbarkeit im Teig.
Etwas technischer:
Glutenin und Gliadin verbinden sich auf verschiedene Arten miteinander. Manchmal entstehen schwache Verbindungen (wie Wasserstoffbrücken) und manchmal stärkere Verbindungen (Disulfidbrücken). Diese unterschiedlichen Verbindungen sorgen dafür, dass der Teig sowohl dehnbar als auch stabil ist.
Dehnbarkeit: Wird hauptsächlich durch die schwächeren Bindungen und die Gliadin-Komponente beeinflusst.
Stabilität und Elastizität: Werden vor allem durch die stärkeren Disulfidbrücken und die Glutenin-Komponente gewährleistet.
Was passiert mit den Proteinen (Klebereiweißen) im Mehl, wenn du Wasser hinzufügst?
Ohne Wasser passiert im Mehl erstmal gar nicht. Sobald du Wasser zum Mehl gibst, werden die genannten Proteine im Mehl aktiv. Stell dir vor, sie sind wie kleine, zusammengeknäulte Fäden, die sich entfalten, wenn sie mit Wasser in Berührung kommen. Das liegt daran, dass Proteine sowohl wasserliebende als auch wasserabweisende Teile haben. Die wasserliebenden Teile ziehen das Wasser an, während die wasserabweisenden Teile sich voneinander entfernen. Dadurch „entwirren“ sich die Proteine und werden bereit, ein starkes Netzwerk (dazu später mehr unter „Glutenstränge“) zu bilden.
Dieser Prozess ist entscheidend, denn die entfalteten Proteine können sich nun besser miteinander verbinden und ein stabiles Gerüst aufbauen, das dem Teig seine Elastizität und Festigkeit verleiht. Dieses Netzwerk, auch Glutengerüst genannt, sorgt dafür, dass der Teig beim Backen aufgeht und das Brot seine Form behält. Kurz gesagt: Wasser hilft den Proteinen, sich zu entfalten und ein starkes Netzwerk zu bilden, was für die Textur und Struktur des Brotes unerlässlich ist.
Aber Achtung: Zu viel Wasser kann das Glutengerüst schwächen. Nur sehr starke Mehle können sehr hoch-hydriert genutzt werden. Dafür gibt es keine Faustformel, aber wenn du merkst, dass du deinen Teig nicht ausgeknetet bekommst, war evtl. die Wassermenge zu hoch dosiert. Manchmal hilft es, zuerst mit einer niedrigeren Hydration zu starten und dann noch weiteres Wasser am Ende zuzugeben, wenn der Teig schon gut ausgeknetet wurde und das Glutengerüst „steht“.
Beispiel für einen nicht ausknetbaren Teigs, wegen zu viel Wasser:
Was passiert im Teig beim Kneten?
Kneten ist mehr als nur Mischen – es löst chemische Prozesse aus. Dabei werden Proteine im Mehl umgeordnet und gestreckt. Das legt versteckte „Andockstellen“ an den Proteinen frei. Diese reaktiven Stellen können nun Verbindungen eingehen:
- Starke Disulfidbrücken: Verbinden Schwefelatome zweier Proteine.
- Schwache Wasserstoffbrücken: Entstehen zwischen unterschiedlich geladenen Teilen der Proteine.
Diese Verbindungen (Glutenstränge) bilden ein Netzwerk, das dem Teig Struktur gibt. Wie oben schon geschrieben sorgen starke Brücken für Festigkeit, schwache für Flexibilität. So entsteht durch Kneten die perfekte Balance für einen guten Teig.
Ist Kneten nötig für das Glutengerüst?
Auch ohne zu Kneten entstehen diese Verbindungen und auch das Glutengerüst baut sich langsam aber sicher auf. Du kennst den Effekt vielleicht von der Autolyse oder aber von sogenannten No-Knead-Breads (mehr dazu weiter unten): Durch reines Vermischen von Mehl und Wasser entstehen über die Zeit die genannten Proteinverbindungen und am Ende das Teiggerüst, dass das Gas auffangen kann.
Aber: Wenn du knetest, geht der Prozess einfach viel schneller von Statten und auch irgendwie „professioneller“. 10 bis 15 Minuten Kneten deines Teigs ist wie ein Katalysator für all die chemischen Prozesse, die da so im Teig passieren. Und: Das Ergebnis im Brot und in der Krume ist meist auch besser, als würdest du alles nur der Zeit und Natur überlassen. No-Knead-Breads sind selten so attraktiv wie Brote, deren Teig geknetet wurde.
No-Knead-Teig der etwas zu weit gereift ist:
Zuviel Kneten kann schädlich sein für das Glutengerüst
So wie ein Muskel durch zu viel Training überanstrengt werden kann, so kann auch das Glutengerüst durch zu langes Kneten Schaden nehmen. Stell dir vor, die Proteine sind wie kleine Gummibänder, die durch das Kneten immer wieder gedehnt und zusammengefügt werden. Am Anfang macht das die Verbindungen stärker und den Teig elastischer. Aber wenn du es übertreibst und den Teig zu lange knetest, können die Gummibänder reißen.
Die Folgen von zu viel Kneten
Was passiert, wenn das Glutengerüst beschädigt wird? Der Teig wird weicher und verliert seine Fähigkeit, das Gas zu halten, das die Hefe produziert. Dadurch kann das Brot nicht richtig aufgehen und wird flach und kompakt. Außerdem kann der Teig klebrig und schwer zu verarbeiten sein.
Wie erkennst du, wann du genug geknetet hast?
Es gibt ein paar einfache Tricks, um zu erkennen, wann du genug geknetet hast. Ein guter Hinweis ist, wenn der Teig sich glatt und elastisch anfühlt und sich von der Schüssel löst. Du kannst auch den sogenannten „Fenstertest“ machen: Nimm ein kleines Stück Teig und ziehe es vorsichtig auseinander. Wenn du es so dünn ziehen kannst, dass du hindurchschauen kannst (wie ein Fenster), dann ist der Teig perfekt geknetet. Wenn der Teig schon wieder weicher wird und stark glänzt, ist das ein Warnsignal, dass du evtl. schon übers Ziel hinausgeschossen bist.
Perfekt ausgekneteter Teig:
Glutenstränge erklärt
Noch ein paar Erläuterungen und Begriffe, die du in Verbindung mit dem Glutennetzwerk immer wieder lesen wirst: Das Glutennetzwerk besteht aus Glutensträngen. Das sind lange, elastische Eiweißfasern, die sich beim Kneten eines Teigs aus den Proteinen Glutenin und Gliadin bilden. Diese Stränge vernetzen sich zu einem stabilen Gerüst, dem sogenannten Glutennetzwerk. Dieses Netzwerk sorgt dafür, dass der Teig elastisch wird, Gase (von Hefe und Milchsäurebakterien) einschließen kann und beim Backen aufgeht. Glutenstränge sind also entscheidend für die Struktur, Festigkeit und Lockerheit des Teigs.
Überreife von Teig und die Auswirkung auf das Glutengerüst
Ein oft übersehener Faktor, der die Qualität des Glutengerüsts beeinträchtigen kann, ist die Überreife des Teigs. Während der Reifezeit bauen Enzyme im Mehl, insbesondere Amylasen und Proteasen, Stärke und Proteine ab. Eine gewisse Enzymaktivität ist erwünscht, um den Teig geschmeidiger zu machen und den Geschmack zu entwickeln. Überreift der Teig jedoch, führt eine übermäßige Aktivität der Proteasen zum Abbau der Glutenproteine. Das Glutengerüst wird dadurch geschwächt, verliert seine Elastizität und kann die beim Backen entstehenden Gase nicht mehr ausreichend halten. Das Ergebnis ist ein flaches, kompaktes Brot mit wenig Volumen und einer klebrigen Krume. Chemisch gesehen werden die langen Glutenstränge durch die Proteasen in kürzere Peptide zerlegt, was die Fähigkeit des Teigs, ein stabiles Netzwerk zu bilden, stark reduziert.
Beispiel für einen zu lange gereiften Teig:
Das richtige Verhältnis von Glutenin zu Gliadin für das passende Brot
Das Verhältnis von Glutenin zu Gliadin im Mehl ist entscheidend für die Backstärke und die Eignung des Mehls für verschiedene Backwaren. Hier eine einfache Erklärung:
- Glutenin sorgt für Elastizität und Stabilität im Teig. Es bildet ein starkes, dehnbares Netzwerk, das den Teig fest und widerstandsfähig macht. Ein höherer Anteil an Glutenin ist ideal für Backwaren, die viel Struktur und Volumen benötigen, wie großporige Brote (z. B. Ciabatta oder Baguette).
- Gliadin macht den Teig weicher und dehnbarer. Es wirkt wie ein „Weichmacher“ und sorgt dafür, dass der Teig geschmeidig bleibt und sich gut ausbreiten kann. Ein höherer Gliadin-Anteil ist besser für feinporige Backwaren wie Mischbrote oder auch Kuchen, bei denen weniger Elastizität erforderlich ist.
Warum das Verhältnis wichtig ist:
- Ein gutes Gleichgewicht zwischen Glutenin und Gliadin sorgt für einen Teig, der sowohl elastisch als auch dehnbar ist – ideal für viele Brotsorten.
- Hoher Glutenin-Anteil macht den Teig fester und elastischer, perfekt für großporige Brote.
- Hoher Gliadin-Anteil eignet sich besser für weiche, feinporige Backwaren.
Erkennung des richtigen Mehls
Der Gesamtproteinanteil auf der Mehlpackung gibt einen Hinweis auf den Gehalt an Glutenin und Gliadin. Höherer Proteinanteil (z. B. 12–14 %) deutet auf mehr Glutenin hin, während niedrigerer Proteinanteil (z. B. 8–10 %) auf mehr Gliadin schließen lässt. Dabei ist es erst einmal egal, welche Type das Mehl hat. Die Type sagt nichts über Backstärke aus, sondern nur über den Schalenanteil im Mehl.
Der Proteinanteil ist nicht 100% sicher, daher empfiehlt es sich vor allem auf Schlagworte wie „backstark“ zu verlassen. Ich kaufe backstarke Mehle meist von Spezialhändlern, wo ich weiß, dass die Mehle wirklich auch stark sind. Für Mischbrote oder feinporige Brote, bei denen das Volumen nicht so wichtig ist, kaufe ich eher das Mehl in der lokalen Mühle mit moderatem Proteingehalt (10-11%).
Das richtige Mehl das du kaufst hängt also vom gewünschten Backergebnis ab – großporige Brote brauchen mehr Glutenin, während feine Backwaren von einem höheren Gliadin-Anteil profitieren.
No-Knead und Autolyse und das Glutennetzwerk
Bei No-Knead und Autolyse-Methoden entwickelt sich das Glutennetzwerk ohne aktives Kneten, im Gegensatz zur traditionellen Knetmethode. Hier die Hauptunterschiede:
- Zeitfaktor:
- No-Knead: Das Glutennetzwerk bildet sich über einen langen Zeitraum von 12-18 Stunden oder mehr.
- Autolyse: Die Entwicklung beginnt bereits in der Ruhephase von 30 Minuten bis mehreren Stunden. Hier erfährst du alles Wissenswerte zur Autolyse.
- Glutenentwicklung:
- Beide Methoden nutzen Zeit statt mechanischer Bearbeitung, um Glutenstränge zu bilden.
- Proteine (Glutenin und Gliadin) verbinden sich langsam zu einem Netzwerk.
- Teigstruktur:
- No-Knead: Der Teig ist anfangs sehr weich und flüssig, entwickelt aber Stabilität über Zeit. Der Prozess kann optimiert werden, wenn du deinen Teig während der Ruhe regelmäßig dehnst und faltest.
- Beide Methoden führen zu einer verbesserten Teigstruktur und Elastizität.
- Geschmack:
- Längere Fermentation bei No-Knead führt zu intensiverem, komplexerem Geschmack. Auch wenn die Optik des Brots meist nicht ganz so schick ist, wie bei Broten aus gekneteten Teigen, haben No-Knead-Brote nicht selten mehr Aromatik zu bieten durch lange Teigreifungsprozesse.
- Gaseinschluss:
- Auch ohne Kneten bildet sich ein Glutennetzwerk, das Gase einschließen kann. Allerdings ist das Netzwerk nicht ganz so straff und stabil, so dass zB No-Knead-Breads meist etwas weniger Volumen aufweisen (wenngleich in den allermeisten die Ursache eher falsch erwischte Reifezustände sind). Die Autolyse wiederum hilft sehr gut ein Brot mit guter Luftigkeit und maximalem Volumen zu produzieren.
- Teigbearbeitung:
- No-Knead: Minimale Bearbeitung durch gelegentliches Falten des Teigs.
- Dies unterstützt die Glutenentwicklung und verbessert die Teigstruktur.
Zusammenfassend erreichen No-Knead und Autolyse-Methoden ähnliche Ergebnisse wie traditionelles Kneten, jedoch durch Zeit und minimale Manipulation statt intensiver mechanischer Bearbeitung. Das resultierende Glutennetzwerk bietet Struktur, Elastizität und Gashaltevermögen, was zu einem qualitativ akzeptablen Backwerk führt. Ich persönlich nutze die Autolyse oft, als Vorbereitung des Teigs vor dem Kneten. No Knead nutze ich selten, weil die Nachteile für das Brot am Ende überwiegen und ich eine Knetmaschine habe, die ich natürlich auch liebend gerne für maximal gute Teige und Brote nutzen möchte.
Beispiel für einen Autolyseteig:
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Glutennetzwerk, bestehend aus den Proteinen Glutenin und Gliadin, eine entscheidende Rolle für die Struktur und Textur von Brot spielt. Dieses Netzwerk verleiht dem Teig Elastizität, Dehnbarkeit und die Fähigkeit, Gase einzuschließen, was für ein luftiges, formstabiles Brot unerlässlich ist. Das Verhältnis von Glutenin zu Gliadin beeinflusst dabei maßgeblich die Backstärke des Mehls und die Eignung für verschiedene Backwaren:
Während ein höherer Gluteninanteil ideal für großporige Brote ist, profitieren feinere Backwaren von einem höheren Gliadingehalt. Durch aktives Kneten wird die Entwicklung des Glutennetzwerks beschleunigt und das Ergebnis oft verbessert, aber auch Methoden ohne Kneten führen durch ausreichend Zeit zu einem soliden Glutengerüst.