Falls du noch nie etwas über die sogenannte „Kneterwärmung“ gehört haben solltest, kläre ich dich hier darüber auf, wieso das ein besonders wichtiger Faktor beim Brotbacken ist.
Was ist die sogenannte „Kneterwärmung“ beim Brotbacken?
Kneterwärmung bezeichnet das Aufheizen des Teigs während des Knetvorgangs beim Brotbacken. Je nach Intensität des Knetvorgangs, je nach Dauer der Knetung und auch je nach Knetmaschine und Teig erwärmt sich ein Brotteig unterschiedlich während dem Knetprozess.
Wovon ist die Kneterwärmung abhängig?
Im Prinzip gibt es mehrere Faktoren, die die Kneterwärmung beim Brotbacken beeinflussen:
- Geschwindigkeit der Knetmaschine
- Art der Knetmaschine
- Dauer der Knetung
- Art des Teiges
Nicht jede Knetmaschine erwärmt den Teig gleichermaßen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Spiralkneter (Grilletta IM5S) den Teig kaum erwärmt, während die Graef Myestro mit Planetengetriebe eine deutliche Wärmeentwicklung verursacht. Das ist auch grundsätzlich kein Problem und nicht Ausschlaggebend bei der Wahl der Knetmaschine (hier findest du meine aktuelle Knetmaschine). Solange man seinen Knetprozess auf die zu erwartende Kneterwärmung hin anpasst.
Je länger geknetet wird, desto mehr Wärme wird an den Teig über Reibung und Arbeit übertragen. Und je fester der Teig, desto intensiver muss er ggfs. geknetet werden und desto mehr erwärmt er sich. Auf der anderen Seite werden gerade weiche Teige nicht selten sehr lange geknetet, so dass auch hier eine verstärkte Kneterwärmung über die Zeit möglich ist. Natürlich hängt der Wärmeeintrag auch mit der Geschwindigkeit der Maschine zusammen: Je schneller geknetet wird, desto wärmer wird diese und desto stärker die Reibung und Temperaturanstiege. Wenn du also sehr lange knetest, solltest du eher langsamer kneten.
Wieso ist die Kneterwärmung wichtig?
Beim Backen von Brot fordern verschiedene Teige unterschiedliche Teigtemperaturen. Während ein Roggenteig gerne bei 28-30 Grad reift (dadurch reift er warm, schnell und mild), profitiert ein Dinkelteig eher von kühleren Temperaturen. Dinkelteige sollten nicht über 25 Grad geführt werden, weil ansonsten das Teiggerüst zu schnell abbaut, das sowieso recht fragil ist. Bei Weizenteigen und Mischteigen sind Temperaturen zwischen 25 und 27 Grad sinnvoll. Je stärker die Teigtemperatur von diesen Standards abweicht, desto stärker verändert sich am Ende der Charakter des Brotes und desto eher steigt das Risiko für einen Fehlschlag und Brotfehler (geschmacklich und optisch).
Ein Teig, der beim Mischen noch 23 Grad hatte, kann nach 10 Minuten intensiver Knetung plötzlich 30 Grad Temperatur aufweisen. Je wärmer die Zutaten sind und je wärmer der Raum ist (zB im Sommer), desto schneller rutscht du dann in Temperaturen, die ein gutes Brotergebnis unmöglich oder zumindest anspruchsvoller machen. Ich selbst habe zu Beginn meiner Backversuche nicht auf die Temperatur geachtet und auch gar nicht auf die Kneterwärmung. Mittlerweile, und vor allem seit ich eine Knetmaschine habe die mehr Wärme in den Teig einbringt, achte ich sehr genau darauf. Dadurch verringern sich Fehlversuche (zB durch die Vermeidung von Übergare).
Bei welchen Teigen ist es wichtig auf die Kneterwärmung zu achten?
Im Prinzip solltest du bei allen Teigen darauf achten, dass die Kneterwärmung nicht zu zu hohen Temperaturen führt. Besonders empfindlich bezüglich zu hohen Temperaturen sind aber folgende Teige:
- Teige mit hohem Dinkelanteil
- Teige mit hohem Weizenanteil
- Teige mit Butter
Wie geschrieben mag es ein Dinkelteig eher kühl. Weizenteige sind nicht so empfindlich, aber auch hier können 2-3 Grad einen riesigen Unterschied machen, wenn es um die Dauer der Teigreife und Aromatik des Brots geht. Reift der Teig viel schneller, wird das Brot weniger aromatisch. Ganz zu schweigen von möglichen Übergaren, wenn einem der zu warme Teig zu schnell reift und wir nicht ständig mit einem Auge am Teig bleiben.
Teige mit Butter sollten ebenso nicht zu lange und intensiv warm geknetet werden, weil ansonsten die Butter zerfließt. Das ist auch der Grund, wieso Butter nicht per Hand eingeknetet werden sollte. Die Handwärme lässt die Butter schmelzen.
Roggenteige sind übrigens nicht so anspruchsvoll was die Beachtung der Kneterwärmung betrifft, weil Roggenteige A) ohnehin wärmer geführt werden (hier ist eher zu beachten, dass sie nicht zu kalt werden, weil das Brot ansonsten zu lange reift und zu sauer wird) und B) nicht lange geknetet werden.
Kneterwärmung und die richtige Wassertemperatur
Es ist also wichtig, dass die Kneterwärmung in die Berechnung der gewünschten Teigtemperatur einkalkuliert wird. Da aber die Kneterwärmung bei uns allen jeweils unterschiedlich ist (zB weil wir unterschiedliche Knetmaschinen nutzen), ist es eher ein Erfahrungswert, der gewonnen werden muss. Du musst für dich und dein Setup zu Hause herausfinden, wie hoch die vermutliche Kneterwärmung bei ca. 10-15 Minuten Knetung sein wird. Dafür musst du mindestens einmal bei einem Brotteig vor dem Kneten und dann nochmal nach der Knetung (und idealerweise auch währenddessen immer wieder) die Temperatur messen.
Am Besten funktioniert das, wenn du dir einen Autolyseteig ansetzt, der nur kurz gemischt wird. Nach der Autolyse misst du die Teigtemperatur und beginnst wie geplant zu kneten. Du kannst dann immer wieder die Maschine anhalten und messen, wie warm der Teig geworden ist nach 5, 10 und 15 Minuten… Ich empfehle dir auch künftig dann immer wieder mal die Maschine anzuhalten und die Temperatur zu prüfen. Lieber früher aufhören zu kneten, bevor der Teig viel zu warm wird. Im Zweifelsfall kannst du das Teiggerüst durch Dehnen und Falten fertig ausbilden, anstatt bis zum Schluss zu kneten mit dem Risiko, dass der Teig zu warm und dadurch instabil wird.
Hast du dann deine zu erwartende Kneterwärmung ermittelt, kannst du diesen Erfahrungswert immer wieder beim Brotbacken einfließen lassen. In vielen meiner Rezepte habe ich die gewünschte Teigtemperatur angegeben. Und du kannst mit diesem Tool hier berechnen, wie das Schüttwasser temperiert werden sollte, abhängig von deiner zu erwartenden Kneterwärmung und abhängig von den Mengenangaben und Temperaturen der anderen Zutaten. Das Tool ist Gold wert! Anschließend misst du deine Teigtemperatur mit einem digitalen Kerntemperatur-Thermometer (Amazon-Partnerlink).
Was wenn der Teig durch die Kneterwärmung doch mal zu warm geworden ist?
Stelle den Teig dann in den ersten 30 Minuten nach der Knetung in den Kühlschrank. Danach misst du, ob die Temperatur sich der Raumtemperatur angenähert hat. Wenn ja, kannst du den Teig in den Raum stellen. Wenn er noch zu warm ist, lässt du ihn noch etwas kalt stehen.
Teigerwärmung während der Gare
Es ist so, dass sich Teige immer an die Umgebungstemperatur anpassen. Ist dein Raum kälter als der Teigling, kühlt auf Dauer der Teigling ab und die Reife im Teig geht langsamer von Statten. Das Gegenteil passiert, wenn der Teig kühler ist als die Umgebungstemperatur. Angenommen dein kühl gehaltener Dinkelteig hat 23 Grad und der Raum hat im Hochsommer 25 Grad. Dann wird der Teigling auf Dauer sich diesen 25 Grad anpassen und schneller reif sein. Das solltest du immer im Kopf behalten. Versuche tendenziell den Raum kühler zu halten als den Teig, damit der Teig nicht zu schnell reift. Achte aber natürlich hierzu vor allem auf die Vorgaben im Rezept. Ich gebe dir hier immer an, wie warm Teig und Raum bei mir gewesen sind, damit du ähnliche Verhältnisse schaffen kannst.